sie Pause und genossen die Sonne, welche sie den ganzen Morgen vermisst hatten, denn im dichten Waldgestrüpp war es so dunkel gewesen, dass sie manchmal nicht mehr die Hand vor den Augen hatten sehen können. Nach der Beschreibung des Raben mussten sie sich jetzt schon in der Gegend des gesuchten Ortes befinden. Leider hatte er ihnen den Weg nicht sehr genau erklärt. Die alten Bäume waren alle viel zu stolz, um ihnen auch nur die kleinste Auskunft zu geben, und so hielten sie Ausschau nach irgendeinem Tier. Aber alles war still, kein Laut war zu hören. Nachdem sie eine ganze Weile marschiert waren, entdeckten sie einen Fuchs, welcher eben in seinem Bau verschwand. Schnell sprang Bala herbei und rief: „Halt, renn nicht weg, du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen dich nur etwas fragen.“

Doch der Fuchs liess nicht mit sich reden. Sie konnten ihn noch so sehr bitten, er zeigte sich nicht mehr.

Ein Tannenhäher, welcher die ganze Szene von weit oben beobachtet hatte, folgte ihnen. Er war eines der wenigen Tiere, welches aus diesem Waldstück heraus und schon in bewohntes Gebiet gekommen war. Die anderen Tiere kannten Menschen nur als gefährliche Wesen aus alten, abenteuerlichen Erzählungen.

Der Tannenhäher flog näher und sprach die drei mit seiner rauhen, krächzenden Stimme an: „Willkommen im uralten Tannenwald. Was für eine Frage wolltet ihr dem Fuchs stellen? Vielleicht kann ich sie euch beantworten.“

„Guten Abend Tannenhäher!“ antwortete Quistel, „wir sind auf der Suche nach einem laufenden Baum. Ein Rabe hat uns von ihm berichtet.“

„Nach einem waaas?“

„Nach einem Baum, welcher auf seinen Wurzeln laufen kann,“ erklärte Quastel.

„Von so einem Baum habe ich noch nie etwas gehört,“ krächzte verwundert der Tannenhäher, der inzwischen näher gehüpft war. Wie er da so im leuchtend grünen Moos stand, sah sein graues Federkleid mit den dunklen Punkten wunderschön aus.

„Aber wenn ich mir das so überlege, euch kann nur der alte Uhu helfen. Ich werde ihn suchen und zu euch bringen. Bleibt einfach hier und ihr werdet von mir hören.“

Der Tannenhäher hatte sich bei seinen letzten Worten aus dem Moos erhoben und war davongeflogen.

Der Nachmittag ging schon langsam zu Ende, denn es wurde dunkler im Wald. Sie machten sich daran ihr neues Nachtlager vorzubereiten. Bis tief in die Nacht warteten sie auf den Tannenhäher, doch niemand erschien. Durch die Wipfel sahen sie einzelne Sterne glitzern und dem Licht nach musste der Mond irgendwo im Süden hinter den Tannen aufgegangen sein. Bala hatte sich schon eine ganze Weile hingelegt, als auch Quistel und Quastel sich unter die gespannte Plane zurückzogen.

Der nächste Morgen begann freundlich. Die Sonne mochte ein paar ihrer Strahlen bis auf den Waldboden schicken und die drei sassen ums wärmende Feuer. Quistel und Quastel hielten an Stecken Brotscheiben über die Flammen und rösteten sie. Natürlich bekam auch Bala eins der knusprigen Brotstücke ab und verschlang es mit Genuss.

Die Jungen hatten ihre Schuhe nicht angezogen und fühlten zwischen den nackten Zehen das noch taufrische Moos. Es war ein wunderbares Gefühl über das weiche, noch leicht feuchte Grün zu gehen. Fast hätten sie darüber vergessen, dass sie eigentlich auf den Tannenhäher hofften und auf der Suche nach dem laufenden Baum waren.

Den ganzen Tag warteten sie vergebens auf den Häher und auch sonst sahen sie kein einziges Tier. So beschlossen sie, sich früh hinzulegen und am folgenden Tag die Suche auf eigene Faust weiterzuführen.

In dieser Nacht sahen sie keine Sterne und unter den Tannen war es stockdunkel, als sie einschliefen.

Es war noch immer tiefe Nacht, als sie von Balas aufgeregtem Bellen geweckt wurden. Verschlafen streckten sie ihre Köpfe unter der Plane hervor und sahen ganz in ihrer Nähe zwei riesige, leuchtende Augen. Quastel rief Bala zu sich und sie beruhigte sich langsam.

Der Uhu kam etwas näher und sprach sie mit tiefer, ruhiger Stimme an: „Der Tannenhäher hat mir berichtet, dass ihr einen laufenden Baum sucht, der hier in diesem Waldstück leben soll. Ich kann mich erinnern, vor etwa 58 Jahren, als ich noch jung war, da hat man sich von einem laufenden Baum Geschichten erzählt. Aber seit damals habe ich nie mehr solchen Unsinn gehört. Ihr könnt mir aber sagen, wie der Ort aussieht, welcher euch vom Raben beschrieben wurde. Vielleicht kann ich euch dann doch helfen.“

„Es soll sich um eine kreisrunde Lichtung inmitten mächtiger Tannen handeln,“ antwortete Quistel.

Der Uhu drehte seinen Kopf hin und her, wie er es immer machte, wenn er über etwas nachdachte, und antwortete bedächtig: „Da kann es sich nur um eine Lichtung handeln. Die liegt für euch etwa einen halben Tag von hier entfernt. Ich werde dem Tannenhäher den Weg beschreiben und er kann euch hinführen, wenn es hell wird. Ich wünsche euch noch eine gute Suche, auch wenn ich nicht an laufende Bäume glaube.“

Quistel und Quastel bedankten sich höflich und wünschten dem Uhu alles Gute. Bala wollte ihm eigentlich noch erklären, dass es laufende Bäume wirklich gäbe, liess es aber bleiben. Sie fühlte sich sehr, sehr gescheit, weil sie etwas wusste, von dem der ach so weise Uhu keine Ahnung hatte.

Es begann langsam zu tagen und so beschlossen sie sich nicht mehr hinzulegen. Auch erschien kurz darauf der Tannenhäher.

Auf dem Weg zur Lichtung erklärte er Quistel, Quastel und Bala, wieso der Uhu erst in der zweiten Nacht gekommen war: „Es war ein wenig schwierig, denn der Uhu glaubt noch viel weniger als ich an laufende Bäume und fand es daher auch überflüssig euch in irgend einer Form zu helfen. Erst als ich ihm erklärte, dass ihr sonst sicher viel länger im alten Tannenwald unterwegs sein würdet, überlegte er es sich noch mal. Es hatten sich nämlich schon verschiedene Tiere über die Störung durch Unbekannte bei ihm beschwert.“

Die Sonne stand senkrecht am Himmel als sie die Lichtung erreichten, eine wirklich kreisrunde, baumfreie Wiesenfläche.

„Da muss es sein!“ bellte Bala aufgeregt und rannte schnell durchs hohe Gras.

 

 

 

 

 

nächste Seite